Urteil des Landesverfassungsgerichts – eine Kastration des Parlamentarismus!

Pressemitteilung zum Urteil des Landesverfassungsgerichts im Prozess Gedeon und Räpple gegen Landtag und Aras.

Betrifft: Sitzungsausschlüsse im Landtag (Dezember 2018)

1. Freiheit oder Ordnung: Was ist wichtiger in der Demokratie – für das Landesverfassungsgericht eindeutig die Ordnung: 95 % Ordnung – 5 % Freiheit!

Nicht der Meinungs- und Redefreiheit wird der Vorrang eingeräumt, sondern einer diffus schwammig definierten „Würde des Parlaments“! Und das Wichtigste: die Befindlichkeit unserer Landtagspräsidentin aus Anatolien! Wehe, wenn sie sich diskriminiert fühlt – dann ist jede „Ordnungsmaßnahme“ gerechtfertigt.

2. Man kann das „Ergebnisjustiz“ nennen – mit juristischer Begrifflichkeit wird nachvollzogen, was vorher bereits feststeht: Landtag und Aras haben Recht, Gedeon und Räpple sind im Unrecht.

3. Wieder wurde das völlig unpassende Beispiel des Fußballs bemüht: Wie dort, so müssten auch im Parlament die Schiedsrichterentscheidungen ohne Wenn und Aber hingenommen werden. Kann man ein Parlament, dessen Entscheidungen Millionen Menschen einschneidend betreffen, wirklich mit einem Fußballspiel vergleichen? Außerdem ist es selbst im Fußball undenkbar, dass der Schiedsrichter aus einer der beiden Mannschaften kommt und sich nur ein anderes Trikot überzieht, um unparteiisch zu sein. Frau Aras ist Mitglied bei den Grünen, und auch als Landtagspräsidentin führt sie die Sitzungen im Sinne ihrer Grünen-Fraktion.

4. Im Urteil wird grundsätzlich die Möglichkeit der Kritik an der Sitzungsleitung des Landtagspräsidenten in der laufenden Sitzung eingeräumt. Das ist neu! Diese grundsätzliche Zulässigkeit wird jedoch sofort wieder grundsätzlich eingeschränkt: Die Kritik dürfe die Grenzen der Sachlichkeit nicht überschreiten, wobei meine konkrete Kritik „Autoritarismus“ und „oberlehrerhaft“ sowie mein Statement, „so könne sie (Aras) ein Parlament in Anatolien führen“, ausdrücklich als diese Grenze überschreitende Unsachlichkeit gewertet wurden. Darüber hinaus obliegt die Entscheidung, ob eine Kritik sachlich angemessen ist oder nicht, während der Sitzung allein dem Ermessen des Landtagspräsidenten.

5. Das kleine Licht im großen Schatten dieses Urteils: Es dürfe prinzipiell auch während der Sitzung an der Sitzungsleitung Kritik geübt werden. Das gibt Räpple und mir prinzipiell Recht! Denn Aras und die Landtagsverwaltung haben bislang jegliche Kritik während der Sitzung für unzulässig erklärt, und Aras hat Ordnungsrufe gegen mich damit begründet: nicht dass ich überzogen Kritik an ihr geübt, sondern dass ich überhaupt Kritik an ihr geübt hätte!

Diese neue Möglichkeit können und werden wir in künftigen Sitzungen nutzen, und Frau Aras wird demnächst Einiges an ihrer parteiischen Sitzungsleitung begründen müssen.

Zu viel Schatten in diesem Urteil, zu wenig Licht – ein politisches Urteil, das den Parlamentarismus kastriert!

Stuttgart 22.07.2019                                                                     Dr. Wolfgang Gedeon MdL

 

P.S: Der vollständige Text des Urteils hier auf der Seite des Verfassungsgerichtshofs.

Zur Vorgeschichte und den Hintergründen vgl. hier.

 

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