Protokolle der Weisen von Zion

 

Vorweg: Den Inhalt der Protokolle verurteile ich unmissverständlich als „moralisch unterste Schublade“! (siehe Leseprobe von „Der grüne Kommunismus“, Buchseiten 275 – 278)

Wer sagt, „Jeder, der die Protokolle der Weisen von Zion nicht als Fälschung betrachte, sei Antisemit“, argumentiert undifferenziert und oberflächlich.

Bei objektivem Vergleich der widerstreitenden Ansichten über diese Protokolle, kann man zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Die Gutachten des Schweizer Prozesses, der die Echtzeit widerlegen sollte, sind einsehbar. Sowohl die Gutachten der Befürworter als auch der Gegner, sowie das des Gerichts. Der Richter kam zum Ergebnis, dass die Protokolle eine Fälschung sind. Was jedoch in der Presse, bei Bezugnahmen auf das Gerichtsurteil, meistens verschwiegen wird, ist die zweite Instanz. Das Urteil dieser ist hier nachlesbar (aus dem Staatsarchiv des Kantons Bern). In der zweiten Instanz wurde diesbezüglich weder eine Echtheit noch eine Falschheit bestätigt. Und selbst eine Einschätzung der Echtheit sagt noch nichts aus.

 

Eine Zusendung an mich fasst wie folgt zusammen:

Der Berner Prozess und die Protokolle der Weisen von Zion

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion wird regelmäßig darauf verwiesen, der „Berner Prozess“ habe ergeben, dass es sich bei den Protokollen um eine Fälschung handele. Diese Aussage ist aber nicht richtig.

 

Der Berner Prozess

Im „Berner Prozess“ – einem über zwei Instanzen gehendem Strafprozess in den Jahren 1933 bis 1937 in Bern – ging es, darum, ob sich die damaligen Angeklagten wegen des Verbreitens von „Schundliteratur“ strafbar gemacht hatten, weil sie u.a. eine Ausgabe der „Protokolle der Weisen von Zion“ auf einer öffentlichen Veranstaltung zum Verkauf angeboten hatten. Dabei stritten sich die „Parteien“ vor allem auch um die von der Angeklagtenseite behauptete Echtheit der Protokolle. Das erstinstanzliche Gericht hörte im Laufe des Prozesses – der Diskussion folgend – drei Gutachter zur Frage der Echtheit der Protokolle. Jede Partei konnte einen Gutachter benennen, zudem bestellte das Gericht einen eigenen. Der Gutachter der Angeklagtenseite kam zu dem Ergebnis, die Protokolle seien echt, der Gutachter der Anklageseite und der vom Gericht ausgewählte Gutachter kamen zu dem Ergebnis, es handele sich um eine Fälschung. Das erstinstanzliche Gericht schloss sich der Auffassung der Fälschung an und verurteilte die Angeklagten wegen Zuwiderhandlung gegen das Gesetz betreffend Schundliteratur. Die Angeklagten appellierten gegen dieses Urteil und wurden in zweiter Instanz vom Berner Obergericht freigesprochen.

 

Die Bewertung des Berner Prozesses

Laut Wikipedia hat der Berner Prozess ergeben, dass es sich bei den Protokollen um eine Fälschung handelt. Auf der Wikipedia-Seite ist zum Thema „Protokolle der Weisen von Zion“ in der Einleitung zu lesen: „Trotz der Aufdeckung als Fälschung unter anderem im Berner Prozess…“. Im Text heißt es: „Die Tatsache, dass die Protokolle ein Phantasieprodukt sind, zog das Gericht (gemeint: Berner Obergericht) nicht in Zweifel,…“ Auf der Seite zum Thema „Berner Prozess“ heißt es in der Einleitung: „Das Urteil kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei dieser Schrift um …ein Plagiat und eine Fälschung handelt.“ Im Text heißt es: „Das Berner Obergericht sprach… die beiden in 1. Instanz verurteilten Angeklagten … aus formaljuristischen Gründen frei,…Jedoch lehnte das Gericht die Übernahme der Parteikosten der in Revision freigesprochenen Beklagten durch die Kläger ab mit der Begründung: «Wer aber solche Hetzartikel gemeinster Sorte in Verkehr setzt, muss die ihm daraus entstehenden Kosten selbst tragen.»[1]

Die gleiche Feststellung trifft der bekannte Antisemitismusforscher Wolfgang Benz. In der Zusammenfassung zu seinem in der Reihe C.H.Beck Wissen erschienenen Werk die „Die Protokolle der Weisen von Zion“ führt er aus: „Ein Prozess in Bern …entlarvte den „dokumentarischen Bericht“als Fälschung,…“ Den ersten Teils des 6. Kapitels des Buches – betitelt „Aufklärung als Waffe? Der Berner Prozess und andere Abwehrversuche“ – widmet er dem Berner Prozess und schreibt dazu u.a. „1937 hob das Berner Obergericht das Urteil teilweise wieder auf, weil….die Komponente der „Unzucht“ fehle, um die Protokolle als Schundliteratur zu klassifizieren. Die Antisemiten feierten diese formaljuristische Erkenntnis als Sieg,…“ [2]

Herr Gedeon kommt zu einem anderen Ergebnis. Er geht davon aus, dass der Berner Prozess nicht als Argument für den Fälschungscharakter herangezogen werden könne: „Das Urteil der ersten Instanz, das die ,Protokolle‘ für eine Fälschung erklärte, wurde aber nicht rechtskräftig, sondern durch ein Berufungsgericht aufgehoben. Von daher kann sich hier niemand auf ein Gerichtsurteil berufen.“ [3]

In einem Artikel vom 20.6.2016 greift der Journalist Sven Kellerhoff in der Zeitung „Die Welt“ ganz im Sinne der Mehrheitsauffassung Herrn Dr. Gedeon an, weil dieser vertrete, dass sich nach der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils in der zweiten Instanz keine Seite mehr auf den Prozess berufen könne. Das sei falsch, so Herr Kellerhoff. [4]

Die Urteilsbegründung des Berner Obergerichts ist im Internet verfügbar. [5] Es kann also relativ leicht überprüft werden, wer in diesem Punkt in der Diskussion Recht hat. Man muss lediglich das Urteil lesen.

 

Das zweitinstanzliche Urteil: Die Begründung des Freispruchs

Für das Berner Obergericht kommt es für die Frage, ob es sich um „Schundliteratur“ im Sinne des Gesetzes handelt und sich die Angeklagten deshalb strafbar gemacht haben, nicht auf die Echtheit der verbreiteten Druckerzeugnisse an.

Der längste Teil des Urteils beschäftigt sich mit der Frage, wie der Begriff der „Schundliteratur“ im Sinne des anzuwendenden Gesetzes zu verstehen ist. Das Obergericht verweist dabei darauf, dass zwischen der allgemeinen, weiten Bezeichnung „Schund“/„Schundliteratur“ und der engeren, sich aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ableitenden gesetzlichen Begrifflichkeit unterschieden werden müsse. Entscheidend für den engen Gesetzesbegriff soll allein der Inhalt der maßgeblichen Schrift sein, auf die geltend gemachte Echtheit der Schrift soll es nicht ankommen.

Das Gericht stellt insoweit ausdrücklich fest: „Demnach erübrigt sich nicht nur eine Stellungnahme zu den drei Gutachten, sondern die Entscheidung der Echtheitsfrage überhaupt. Soviel kann darüber immerhin gesagt werden, dass der Beweis für die Echtheit der „Protokolle“ bis heute nicht geleistet wurde. Fest steht nur, dass sie mindestens zur Hälfte aus einer Schrift von Maurice Joly (…) abgeschrieben sind.“ [6]

Nicht einmal für die Strafzumessung würde es nach dem Obergericht im konkreten Fall auf die Echtheit ankommen. Zwar sei dies grundsätzlich schon von Bedeutung, nicht aber hier. „Wenn jedoch wie hier die Fälschung erst durch umfangreiche Expertise festgestellt werden müsste, könnte ihre Kenntnis bei einem einfachen Angeschuldigten,…, ohnehin nicht vorausgesetzt werden.“ [7]

Aus dem obergerichtlichen Urteil ergibt sich gerade also nicht implizit die Feststellung der Falschheit der „Protokolle“, sondern ausdrücklich nur, dass immer noch nicht klar ist, ob sie echt sind. Und obwohl es für das Obergericht eigentlich nicht maßgeblich ist, weist es zudem darauf hin, dass das erstinstanzliche Urteil fehlerhaft ergangen ist. Das Obergericht rügt, dass es sich bei dem dritten (nicht von den Parteien gestellten) Gutachter Loosli nicht um eine „vollständig unbefangene, unvoreingenommene Persönlichkeit“ gehandelt habe. Loosli habe nämlich bereits in einer Schrift im Jahr 1927 die Protokolle als gefälscht angesehen und in „polemisierendem, keineswegs wissenschaftlichen Tone“ über die Fälschung geschimpft. Er komme deshalb zu dem entsprechenden Ergebnis. [8]

Dass das Obergericht bei der Frage der Entschädigung und der Kosten den Angeklagten kein Entschädigung zuspricht, die Verteidigerkosten jede Partei selber tragen lässt und bei den Staatskosten differenziert und insoweit von „Hetzartikeln“ spricht, hat nach dem Gesagten offensichtlich mit der Frage der Echtheit der „Protokollen“ nichts zu tun. Dass die Schrift sozusagen moralisch „unterste Schublade“ ist, ist im Übrigen in der gesamten Diskussion auch unbestritten.

Ebensowenig kann gesagt werden, dass es sich um eine „formaljuristische“ Aufhebung handelt. Dies impliziert, dass das Obergericht inhaltlich die Position des Erstgerichts teilt. Dies tut es ausdrücklich nicht.

 

Ergebnis

Die Lektüre des zweitinstanzlichen Urteils ergibt mithin: Herrn Gedeon ist in diesem Punkt der Debatte zuzustimmen. Dem Berner Prozess kommt als solchem in der Diskussion um die Echtheit der Protokolle keine Beweiswirkung zu. [9] Aus dem Zusammenhang gerissene Hinweise auf die Kostenentscheidung oder gar der Hinweis, das erstinstanzliche Urteil sei „formaljuristisch“ aufgehoben, wie sie sich auf Wikipedia, bei dem Antisemitismusforscher Benz und der „Welt“ finden, sind irreführend. Geht man davon aus, dass die Verantwortlichen das Urteil gelesen haben, drängt sich hier die Frage auf, ob hier bewusst irregeführt werden soll. In jedem Fall zeigt sich, dass es wichtiger ist zu beachten, was jemand sagt, als wer es sagt oder wie viele es sagen. Die Teilnehmer der aktuellen Debatte sollten diese wachsam beobachten und hinterfragen.

[1] Abgerufen am 30.6.2016.[2] „Die Protokolle der Weisen von Zion“, C.H. Beck Wissen, S.82.

[3] Christlich-Europäische Leitkultur, Band 2; wohl S. 450, abgerufen auf der Webpage des Autors am 30.6.2016.

[4] welt.de

[5] PDF der Revision

[6] S.31 des Urteils.

[7] S.31 des Urteils.

[8] S.29 des Urteils.

[9] Dass die Protokolle keine Fälschung sind, ist damit natürlich nicht gesagt.

 

Auch wenn die Protokolle eine Fälschung wären, wäre die Schlussfolgerung auf eine antisemitische Gesinnung willkürlich. Es geht in den Protokollen um infame Machtpolitik à la Machiavelli und Sunzi, die verschiedenen Machtpolitikern, z. B. in kommunistischen Systemen und auch in der EU, wie es scheint, als Blaupause dient. Dabei sind die meisten von ihnen keine Juden (siehe Stellungnahme vom 7. Juni 2016)

 

Der Inhalt der Protokolle ist, wie gesagt, absolut zu verurteilen. Doch nur darüber zu spekulieren, ob sie echt sind oder nicht, hat nichts mit Antisemitismus zu tun.