Stellungnahme zu Marc Jongens Pamphlet gegen mich in der Jungen Freiheit.
(Marc Jongen veröffentlichte in der „Jungen Freiheit“ online am 20. Juni unter dem Titel «Fall Gedeon. Nun sag, AfD, wie hast du’s mit dem Judentum?» sowie gedruckt in Nr. 26/16 vom 24. Juni 2016 ein Pamphlet gegen mich)
Am 21.6.2016 sollte bekanntlich über meinen Fraktionsverbleib abgestimmt werden. Einen (!) Tag zuvor startet Marc Jongen in der Jungen Freiheit eine fundamentale Attacke gegen mich; Titel: „Nun sag, AfD, wie hast du’s mit dem Judentum?“
Zunächst stimmt er mir darin in allen möglichen Punkten zu. Der Leser soll das Gefühl bekommen: Hier ist einer, der meint es gut mit dem Gedeon; der ist wirklich objektiv und bringt nicht nur das Schlechte! Jongen distanziert sich auch entschieden von der political correctness, von der Antisemitismus-Keule usw. und sogar von Bernd Lucke, allerdings nicht erwähnend, dass er bis zuletzt dessen treuester Vasall war und nicht in letzter Minute, sondern in letzter Sekunde vom Lucke-Zug abgesprungen ist. Erste Quintessenz Jongens also: Auf den ersten Blick müsste man mir eigentlich zustimmen.
Dann aber die große Warnung: Mein gesamtes Werk sei von „irrationaler Judenfeindschaft“ geprägt! Das könne man natürlich nur mit dem „zweiten“ Blick erfassen, und hierzu bedarf es einer aufklärerischen Lichtgestalt (wie ihm!), die dem düsteren Verschwörungstheoretiker die Maske vom Gesicht reißt und „die üblen Dünste irrationaler Judenfeindschaft“ sichtbar bzw. riechbar macht. Die Beschäftigung mit meinem Werk mache „schaudern, je mehr man sich (damit) beschäftigt“. Nach und nach ersetzt Jongen rationale Argumentation durch emotionale Empörungsrhetorik.
So bringt er ein Zitat von mir, das den geistigen Gegensatz von Judaismus und Christentum als eine treibende Kraft der Geschichte interpretiert und eine diesbezüglich einseitig zionistische Interpretation verwirft, die abendländische Geschichte zu einer Kriminalgeschichte des Antisemitismus macht. Anstatt aufzuzeigen, warum mein Zitat unsinnig oder gar verwerflich wäre, schwadroniert Jongen, ich würde all die „Errungenschaften der Moderne“ als „Degeneration“ begreifen. Dabei weiß er wohl, dass ich zwischen positiv aufklärerischer Emanzipation und negativem Emanzipationsexzess, z. B. Gender-Ideologie etc., durchaus zu unterscheiden weiß.
Üble Zitiermethoden
Immer mehr gerät Jongen jetzt in die moralisch unteren Schubladen des Argumentierens. Er zitiert verschiedene nationalsozialistische Ideologen, wobei im Text dann nicht mehr klar wird, von wem sie stammen. Bildlich fließen sie mit meinen Zitaten zusammen und zeichnen mich als Ideologen, dessen Ansichten nicht mehr von nationalsozialistischen abweichen.
Wer, wie ich, nicht überzeugt sei, dass die „Protokolle“ eine Fälschung sind – im Übrigen eine eher nebensächliche Frage –, wird in die Nähe der Auschwitz-Täter gerückt. Dann ein weiteres Zitat von mir, von Jongen wieder mit der Auschwitz-Keule vorgetragen: „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes.“
Was aber bedeutet dieser Satz wirklich? Mache ich damit die Juden zu den „inneren Feinden des Abendlandes“? Mitnichten. Ich beschreibe eine Situation, wie sie damals historisch bestand: Auf der Basis ihrer jeweiligen Religion waren die Christen den Juden, und die Juden den Christen mehr oder weniger feindlich gesinnt. Also kein Aufruf zu innerer Feindschaft, sondern eine historische Beschreibung: Wir sprechen von „christlichem Antijudaismus, von Luther, Bach, Shakespeare, usw.! Auf jüdischer Seite nennt man es „religiösen Antisemitismus“, wobei man unterschlägt, dass die Einstellung in den Ghettos – man lese nur den Talmud – nicht minder antichristlich war als die der umgebenden Mehrheitsgesellschaft antijüdisch. Dass dieser Gegensatz eher selten aufgebrochen ist (Pogrome, Vertreibungen), ist der katholischen Kirche zu verdanken, die die Christen vor den Juden und die Juden vor den Christen zu schützen beanspruchte (Prinzip der „doppelten Schutzbefohlenheit“).
Das Hauptproblem wird von Jongen nicht thematisiert!
Auf mein zentrales Argument geht Jongen inhaltlich nicht ein. Er glaubt, es beiläufig als „spitzfindige Unterscheidung“ abtun zu können und „weigert“ sich, „zwischen Antijudaismus, Antizionismus und Antisemitismus einen wesentlichen Unterschied zu machen“. Was bedeutet eine solche „Weigerung“? – ein Vorurteil, ein Bauchgefühl? Fakt ist freilich:
- Die meisten Juden sind keine Zionisten.
- Sehr viele Zionisten sind keine Juden, sondern z. B. Deutsche oder Amerikaner; schließlich:
- Die schärfsten Kritiker am Zionismus sind antizionistische Juden!
Der vormals christliche Antijudaismus spielt, anders als im Mittelalter, keine Rolle mehr, genau so wenig wie die diesem entsprechende antichristliche Einstellung der damaligen Juden. Heute geht es politisch um Antisemitismus und Antizionismus: im einen Fall (Antisemitismus) um pauschale Ablehnung einer ethnokulturellen Identität, im anderen Fall (Antizionismus) um Kritik und Ablehnung einer politischen Ideologie. Wer sich hinstellt und glaubt, durch mantra-artige Wiederholung der Formel Antizionismus = moderner Antisemitismus Argumente ersetzen und so aus Unsinn eine politische Theorie machen zu können, ist ein Demagoge, aber kein Philosoph.
Wie der Islamismus eine aggressive Politisierung des Islam darstellt, so der Zionismus eine aggressive Politisierung des Judaismus. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir nichts gegen Islamgläubige und nichts gegen Menschen jüdischen Glaubens haben. Sehr wohl aber betrachten wir den Islamismus als Gefahr für uns, und Ähnliches gilt für den Zionismus, und dies umso mehr, je aggressiver und fundamentalistischer er auftritt. Dieses heiße politische Thema umschifft Jongen weiträumig. Stattdessen holt er zu ausufernden Attacken gegen mich aus, spricht, „mit Abscheu erfüllt“, von der „Obszönität“ meiner Aussagen und reiht mich „in die Tradition übelster antisemitischer Hetzliteratur von Houston Steward Chamberlain über Alfred Rosenberg bis hin zu Horst Mahler ein“. Der Mann hat nicht mehr alle Tassen im Schrank! Seine Hasstirade endet erst, als er zum abschließenden Lobessang für Meuthen anhebt. Dieser habe „nach den ureigensten Grundsätzen und Werten der Partei gehandelt“. Welche das sind, verrät er uns freilich nicht.
Zur Vorgeschichte des Jongenschen Artikels
Das Besondere an Jongen in dieser Sache ist, dass er tatsächlich Vieles von mir gelesen hat und ich mit ihm darüber schon mehrere, auch längere Diskussionen geführt habe. In all diesen Gesprächen hat er mir aber nicht annähernd die Kritik vorgetragen, mit der er jetzt daher kommt, und schon gar nicht war irgendwo von „irrationaler Judenfeindschaft“ die Rede! Jongens wesentliche Sorge war in all diesen Gesprächen, dass die Vermittlung meiner Positionen Probleme bereiten könnte – ein Argument, das nicht von der Hand zu weisen ist. Außerdem hielt er, das betonte er immer wieder, meine Programmatik mit der seinerzeitigen Führung (Lucke und Henkel) für überhaupt nicht durchsetzbar: Das waren damals seine wichtigsten Kritikpunkte!
Noch Ende 2015 auf dem Parteitag in Hannover kam er zu mir und bat um kostenlose Überlassung einer von mir neu verfassten Schrift mit dem Hinweis, ich wüsste ja, dass er alles von mir immer sehr genau lesen würde. Dabei berichtete er mir auch, dass er in letzter Zeit „radikaler“ geworden sei. Bemerkenswert noch die Tatsache, dass sich Jongen im Landesvorstand mitverantwortlich zeichnete für die Bestätigung der Landtagskandidaten-Liste und auch hierbei mit keinem Wort vor meiner „irrationalen Judenfeindschaft“ gewarnt hatte, was doch seine „Pflicht“ gewesen wäre!
Jongen ist ein mittelmäßiger Philosoph. Sein langjähriger Lehrer und Vorgesetzter Peter Sloterdijk hat ihm vor kurzem öffentlich in der FAZ empfohlen, statt philosophisch über die AfD zu schwadronieren, endlich seine überfällige Habilitationsschrift fertigzustellen – eine Aufforderung, der ich mich nur anschließen kann. Darüber hinaus ist Jongen ein Opportunist, der sich mit seiner Frontalattacke gegen mich bei der Abteilung Meuthen Liebkind machen will. Für‘s Europaparlament und auch für den Landtag hat es wieder einmal nicht gereicht. Jetzt will er bei der Bundestagswahl endlich zu einem Mandat kommen, und Meuthen soll ihn dabei protegieren. Deshalb meine abschließende Frage an ihn: „Nun sag, Marc Jongen, wie hast du’s mit dem Opportunismus?“
Dr. Wolfgang Gedeon, MdL am 27. Juni 2016