Rede vom Parteitag in Nürtingen

Ich habe meinen Redebeitrag auf dem Nürtinger Aufstellungsparteitag kurzfristig geändert. Ursprünglich entsprach mein Text einer Kurzfassung des von mir zum Parteitag geschriebenen Ausrichtungspapiers Das Antisemitismus-Problem nicht unter den Teppich kehren. Der dann tatsächlich vorgetragene (Stegreif-)Beitrag lautete gemäß meinem Gedächtnisprotokoll – eine Aufzeichnung fand meines Wissens nicht statt – etwa folgendermaßen:

 

Liebe Parteifreunde!

Ich brauche mich nicht vorzustellen, alle kennen mich hier. Meine Positionen sind klar und eindeutig, an mir scheiden sich die Geister – und das ist gut so.

Viele Parteimitglieder klagen über innerparteiliche „Querelen“ und Auseinandersetzungen. Ich stimme in diese Klagen nicht ein. Ich halte solche Auseinandersetzungen nicht für schädlich, sondern für notwendig, und wäre sogar besorgt, wenn es sie nicht gäbe. Denn das ist ja der Zustand der Altparteien, bei denen immer alles schon klar und entschieden ist und Friedhofsruhe herrscht.

„Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ – so der Philosoph Heraklit im sechsten vorchristlichen Jahrhundert: Die Gegensätze müssen aufeinanderprallen, damit das Neue entsteht. Das gilt auch für die Politik. Wer das nicht akzeptiert, sollte lieber in einen Sportverein oder gleich in ein Kaffeekränzchen gehen, aber nicht in eine politische Partei.

Ich stehe auch nicht hier, um offene Türen einzurennen, von denen es einige gibt. Zum Beispiel agitiere ich nicht gegen den Islam, wenn ich weiß, dass 100 % der hier Anwesenden ohnehin äußerst islamkritisch sind. Vor drei Jahren, zu Luckes Zeiten, als dieser mit Inbrunst den Begriff Islamphobie in der Partei hochhielt, habe ich das getan, und damals war es notwendig.

Es macht auch nicht viel Sinn, gegen Frau Merkels Zuwanderungspolitik zu Felde zu ziehen. Kenne ich hier doch keinen, der selbige unterstützen würde. Als ich vor zweieinhalb Jahren auf dem Karlsruher Landesparteitag dieses Thema anging und heimat- und kulturnahe Auffanglager für Flüchtlinge forderte, war der innerparteiliche Widerstand noch groß. Leute wie Jongen und Kölmel bezichtigten mich sogar einer „nationalsozialistischen Diktion“! Heute rennt man auf einem AfD-Parteitag in der Tat offene Türen mit solchen Forderungen ein, und deshalb erspare ich mir solche. Es ist nicht mein Anliegen, den allgemeinen Konsens wortradikal zu verstärken. Mir geht es darum, den Dissens in der Partei, den es an wichtigen Stellen gibt, zu formulieren und transparent zu machen. Dies ist notwendig, denn sonst können wir diese Probleme nicht lösen.

Der wichtigste Dissens, den wir derzeit in der Partei haben, ist Höckes Dresdner Rede. Der Bundesvorstand, allen voran Frau Petry, hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und Björn Höcke in aller Öffentlichkeit, nämlich in der Tagesschau, aufs schärfste attackiert: Mit seinen „Alleingängen und ständigen Querschüssen“ würde er immer mehr zu einer „Belastung für die Partei“. Das sehe ich ganz anders – und alle Parteimitglieder müssen hier klar Stellung beziehen: Der Bundesvorstand versucht ständig, wichtige Diskussionen schulmeisterlich, ja disziplinarisch zu unterdrücken. Deshalb wird nicht Björn Höcke, sondern Frauke Petry und ihr Tross im Bundesvorstand zur tatsächlichen Belastung für die Partei!

Der entscheidende Dissens-Inhalt, der auch in Höckes Dresdner Rede steckt und sich schon in der Stuttgarter Landtagskrise um mich offenbarte, ist das Antisemitismus-Thema. Man hat hier bekanntlich einen neuen Begriff kreiert: „sekundärer Antisemitismus“! Dieser lässt der Interpretationswillkür freien Lauf und macht alle und jeden zum „Antisemiten“, z. B. Otto Schily, Günter Grass, Walter Steinmeier usw., so dass Ariel Sharon, der vormalige israelische Ministerpräsident, in seinem Sinn sogar Recht hatte, wenn er sagte: Alle Europäer sind Antisemiten.

Liebe Parteifreunde!

Der „sekundäre“ Antisemitismus – manche nennen ihn gar „modernen“ Antisemitismus – ist kein wirklicher Antisemitismus, sondern ein Willkür-Konstrukt; nämlich das, was man heute mit dem neuen Begriff „postfaktisch“ auszudrücken versucht: also ein postfaktischer Antisemitismus und letztlich ein zionistischer Kampfbegriff.

Sicherlich ist der Antisemitismus-Streit nicht unser größtes politisches Problem. Aber ohne dieses zu lösen, werden wir auch andere wichtige Themen nicht lösen können. Oder glauben Sie, ein Volk, das ständig als „Tätervolk“ diskreditiert wird, brächte wirklich noch die moralische Kraft auf, sich der existentiell bedrohlichen Flüchtlingsinvasion zu erwehren. Deshalb sollten wir das Antisemitismus-Thema nicht unter den Teppich kehren, wie das bislang von der Partei gehandhabt wurde, sondern es offensiv als Herausforderung annehmen!

Ein kritischer Parteikollege hat mir gestern Abend in der Eingangshalle gesagt: „Herr Gedeon, Sie sind sehr unbequem, aber sie sind notwendig unbequem“. Ich glaube, dass solcherart Unbequemlichkeit in der sich abzeichnenden Bundestagsfraktion ganz besonders notwendig wäre!

Ein Kommentar

  1. Hut ab und „Bravo“ für ihren steten Mut und die klare Positionierung für Herrn Höcke gegen ein schwaches Ehepaar. Ihr Mut bleibt jedoch eine intelligente Gratwaderung, denn Strafgesetzbuch (StGB) / § 130 / 3 hängt wie ein Damoklesschwert über uns allen, aber Sie werden es meistern und haben hoffentlich keine Märtyrerambitionen.

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