Rückblick auf die Stuttgarter Landtagskrise
Ich möchte den Verlauf dieser Krise noch einmal aus zeitlicher Distanz beleuchten. Jörg Meuthen war
damals das geringste Problem. Er wurde von allen Seiten unter Druck gesetzt und war nicht in der
Lage, das von der Fraktion beschlossene Procedere durchzuhalten: Ich sollte meine Fraktionstätigkeit
ruhen lassen; drei Gutachten sollten zum Antisemitismus erstellt und Mitte September eine
Entscheidung getroffen werden. Eigentlich wäre das ganz einfach gewesen!
Das erste „Gutachten“ aus Israel
Nach ein paar Tagen (!) kam kostenfrei (!) aus Israel (!) die Stellungnahme eines Journalisten namens
Manfred Gerstenfeld. Sie war so, dass sie von der Fraktion mehrheitlich nicht als diskussionswürdig
eingeschätzt wurde. Gerstenfeld hatte sich schon im Fall des Günter Grass unrühmlich hervorgetan:
Er kritisierte unter anderem Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung, El País und The Guardian als
„teilzeit-antisemitisch“. Laut Wikipedia gehört er zu den Stimmen am rechtsextremen israelischen
Rand, welche legitime Kritik an Israel als „Antisemitismus“ diskreditieren. Der Gründungsdirektor des
staatlichen Norwegischen Holocaust-Forschungszentrums bezeichnete Gerstenfeld sogar als
„unseriös“, nachdem Gerstenfeld die Norweger pauschal als „barbarisches und unintellektuelles Volk“
beschimpft hatte.
In meinem Fall argumentierte Gerstenfeld zum Beispiel so: Wenn man in meinen Büchern den Begriff
Zionist durch den Begriff Jude ersetzen würde, träte der antisemitische Charakter meines Werks offen
zutage. In der Tat: Wenn man den Begriff Zionist durch den Begriff Christ ersetzen würde, träte ein
dezidiert antichristlicher Charakter zutage usw. Solcher Unfug wurde hier als „Gutachten“ angeboten.
Bei diesem Thema sind die Begriffe entscheidend, gerade der Unterschied zwischen Antizionismus
und Antisemitismus. Ersterer richtet sich gegen eine Ideologie, letzterer gegen eine ethnokulturelle
Identität. Eine Ideologie vertritt man freiwillig, eine ethnokulturelle Identität aber kann man nicht
ohne weiteres abstreifen. Noch klarer wird die Sache, wenn man sich vor Augen hält: Weltweit sind
die meisten Juden keine Zionisten und die meisten Zionisten keine Juden. Auch in der AfD waren es
nicht Juden, sondern Nichtjuden, die mir gegenüber als aggressive Zionisten auftraten.
Das zweite Gutachten des CDU-Mitglieds (!) Werner Patzelt
Das zweite Gutachten (s. Analyse hier, inklusive Verlinkung des Gutachtentextes), von der inzwischen aus der AfD ausgetretenen Claudia Martin in Auftrag gegeben, stammte vom Dresdner Politologen Werner Patzelt. Im ersten Teil dieses Gutachtens, den man noch als wissenschaftlich durchgehen lassen kann, spricht er mich freundlicherweise vom Vorwurf des Antisemitismus im herkömmlichen (primären) Sinn frei, um dann im zweiten Teil sich auf umstrittene sog. Antisemitismus-Forscher wie Wolfgang Benz zu berufen und auf der Basis eines postfaktischen Antisemitismus-Begriffs ( „sekundärer“ Antisemitismus) meinen Fraktionsausschluss zu fordern. Dass Patzelt selbst CDU-Mitglied war und ist, verschweigt er in seinem Gutachten, was ihn nicht gerade glaubwürdiger macht.
Auch sollte es zu denken geben: Heinrich Fiechtner und Claudia Martin, die heftigsten Hetzer in der
AfD-Fraktion gegen mich, hetzen heute gegen die Partei oder gehen sogar gerichtlich gegen sie vor.
Diese zionistischen Elemente verhinderten damals eine Diskussion über das pseudowissenschaftliche
Konstrukt des „sekundären“ Antisemitismus und erzwangen, offensichtlich von außen gelenkt, eine
vorzeitige Abstimmung, mit der sie mich aus der Fraktion ausschließen wollten. Der Schuss ging nach
hinten los, sie brachten die notwendige Mehrheit gegen mich nicht zusammen. Jörg Meuthen zog
daraufhin mit zwölf Fraktionsmitgliedern aus dem Saal und gründete satzungswidrig im Nebenraum
eine neue, die „ABW-Fraktion“. Die übrigen zehn Mitglieder verhielten sich satzungskonform und
verblieben in der AfD-Fraktion.
Das dritte Gutachten von Prof. B. Streck und der weitere Verlauf der Stuttgarter Krise
Das dritte Gutachten war von der Fraktion in Auftrag gegeben worden und wurde Mitte September
fristgerecht abgeliefert. Es stammte nicht von einem Politologen, schon gar nicht von einem
Journalisten, sondern von einem diesbezüglich fachkompetenten Experten, dem angesehenen
Leipziger Ethnologen Prof. Dr. Bernhard Streck. Dieser durchforstete mein gesamtes politisch-
philosophisches Werk und fand darin keine Hinweise für Antisemitismus. Darüber hinaus würdigte er
mein Opus als geisteswissenschaftlich wichtigen Beitrag zu den großen Themen unserer Zeit. Dieses
Gutachten wurde in der Partei bislang nicht veröffentlicht! Wer es lesen will, findet es hier auf meiner Webseite.
Für die AfD insgesamt ging diese Krise schlecht aus. Im entscheidenden Moment hat sie nicht
diskutiert, nicht gekämpft, hat sie voreilig die Segel gestrichen und das Problem unter den Teppich
gekehrt. Ein solches Verhalten zersetzt Kampfkraft und Moral. Viele in der Partei machen sich heute
Gedanken über die damalige Situation, viele sehen auch einen Zusammenhang mit den in Köln
wieder nicht gelösten Problemen und der vertieften Spaltung der Partei. Doch es gibt immer noch
genügend Parteimitglieder, die die großen Probleme lieber tabuisieren und die derzeitige
Parteisituation für individuelle, auch karrieristische Bedürfnisse zu nutzen suchen. Wie auch immer:
Wir werden diese Probleme nicht mehr vor der Wahl lösen, sollten aber die notwendige Erneuerung
der Partei für die Zeit danach schon jetzt vorbereiten.